GESCHICHTE

Danksagung

Der folgende Text ist zum Teil aus der Festzeitschrift zum 100jährigen Jubiläum des TVO entnommen (mit freundlicher Genehmigung von Horst Kerkhoff).
Ohne die Vorleistungen von Alfred Brändel, Waltraud und Werner Besteck, Gerda Schwing, Claus Jungclaus und Michael Schmidt hätte dieser Bericht nicht geschrieben werden können.

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100 Jahre sind für einen Sportverein eine lange Zeit, die bis zu den Anfängen zurückzuverfolgen für den Chronisten nicht immer leicht ist. Die Recherchen werden durch fehlende und verloren gegangene Daten und Dokumente erschwert. Dennoch ist der Versuch unternommen worden, einen anschaulichen Überblick über die Gründung und Geschichte des traditionsreichen Bergedorfer TennisVereins zu geben und seine Entwicklung vom "Gesellschaftsverein der Bergedorfer High Society" zu einem Sportverein mit großen Erfolgen nachzuzeichnen. Manche Mitglieder glauben, daß der TV Ostende der älteste deutsche oder zumindest Hamburger TennisClub ist. Diesen Anspruch erheben nach neusten historischen Erkenntnissen wohl aber mit mehr Berechtigung die TennisVereine in Bad Homburg vor der Höhe, in BadenBaden und der HTC Heidelberg. In der Hansestadt haben der Klipper THC 1988 und der Harvestehuder THC 1991 ihr 100jähriges Jubiläum gefeiert. Wie dem auch sei: Es ist unbestritten, daß die Wurzeln des TV Ostende bis ins letzte Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts zurückreichen und die beiden unteren Plätze im Gehölz in Deutschland die ältesten sind, die in ihrer ursprünglichen Lage heute noch bestehen.

Die Gründerjahre

Es mag um 1890 gewesen sein, als sich einige Bergedorfer Bürger, deren Familien gesellschaftlich miteinander verkehrten, zu einem größeren Kreis zusammenfanden und den Gedanken faßten, einen Verein zu gründen. In ihm sollte man auch die Möglichkeit haben, Tennis zu spielen. Tennis war damals in Deutschland noch relativ unbekannt und hatte wie viele andere Ballsportarten von den britischen Inseln aus seinen Siegeszug auf dem europäischen Kontinent angetreten. Zuerst kam Tennis in Deutschland bei den “oberen Zehntausend” in Mode, war also eine exklusive Sportart und weit davon entfernt, wie in unseren Tagen Volkssport zu sein.

Das älteste zurückverfolgbare Datum, das offiziell Zeugnis über die Vereinsgründung des TV Ostende ablegt, ist der 10. Mai 1893. An diesem Tag schloß der Verein, vertreten durch die Herren Oberst a. D. Leo, E. von Braunschweig und G. A. Becker, mit der Finanzdeputation Hamburg Gründungsurkundeeinen "Miethe-Vertrag zur Herrichtung eines Lawntennisplatzes im Bergedorfer Gehölz". Dieser Vertrag, der handschriftlich in altdeutschen Buchstaben verfaßt und auf Seite 15 des Jubiläumsheftes abgedruckt ist, galt zunächst bis 1898 und wurde am 18. April desselben Jahres verlängert, wie aus einer Randnotiz auf dem Original Vertrag hervorgeht.

Laut Originalurkunde war das Vereinsgelände 1.110 Quadratmeter groß. Das Holz der auf dieser Fläche geschlagenen Bäume mußte vom Verein käuflich übernommen werden. Als Miete hatten die Ostender jährlich am 1. Mai, zuerst am 1. Mai 1894, 10,- Mark an die Finanzbehörde zu zahlen.

Der in der Urkunde "Bergedorf Ostende" genannte Verein führte bis etwa 1905 den Namen "Verein Ostende" und danach vorwiegend die Bezeichnung "Verein Ostende von 1893". Seit 1947 wird der Club "Tennis-Verein Ostende von 1893 Bergedorf" genannt und ist unter dieser Bezeichnung 1949 auch offiziell ins Vereinsregister Hamburg eingetragen worden.

Der Name ist mit großer Wahrscheinlichkeit wegen der Lage der Tennisplätze am östlichen Ende von Bergedorf gewählt worden. Eine andere sich hartnäckig haltende Version besagt, daß die Namensgebung auf die Gewohnheit der Gründerväter zurückzuführen ist, ihre Sommerferien im damals mondänen Nordseebad Ostende zu verbringen, wo man Bekanntschaft mit dem lustigen Ballspiel "Tennis" machte. Die Verbundenheit mit dem belgischen Badeort beweist auch ein “Strand-Fest", das der Verein Ostende in Form eines Kostümfestes am 5. März 1898 anläßlich des fünfjährigen Bestehens des Vereins veranstaltete.

Nicht tennissportliche. sondern gesellschaftliche und kulturelle Veranstaltungen bildeten in den ersten Jahren nach der Vereinsgründung den Schwerpunkt des Clublebens. Mit Erstaunen stellt man heute fest, in welcher Vielfalt der damalige Gesellschaftsverein seine Mitglieder zu unterhalten wußte. Da wechselten Theaterabende mit Konzertveranstaltungen, Vorträge über Architektur mit solchen des Mitglieds und bekannten Afrika-Forschers Schomburgk über seine Reisen in den schwarzen Kontinent. Sogar die Naturwissenschaften wie Physik und Chemie wurden bemüht, um den offenbar vorhandenen Wissensdurst zu stillen.

Die erste verbürgte große Gala-Vorstellung fand am 11. November 1893 statt. Zur Aufführung kam das Theaterstück mit dem Titel “1733 Mark 75 Pf." oder "Das nervöse Kälbchen", frei nach Jacobson von Beckschweig und Braunker. Das Ensemble bestand aus Mitgliedern, die sich Künstlernamen gaben, die sie aus ihren Nachnamen zusammenfügten (z. B. Braunschweig, Becker zu Beckschweig, Braunker).

Neben dem Genuß von künstlerisch leichter Kost wurde auch miteinander diskutiert. So lud der Vorstand am 6. Dezember 1909 in Diedrichs Restaurant zu einem Damen-Abend ein. der das schon recht modern wirkende Thema "Die Frau im öffentlichen Leben” zur Diskussion stellte. Auf der Ankündigung wird darauf hingewiesen, daß während der Diskussion das Rauchen nicht gestattet ist. So streng waren damals die Sitten und Gebräuche!

Der Vorstand hatte für diesen Abend ein Faß Austern besorgt, welche 2 Mark das Dutzend kosteten. Im Anschluß an den offiziellen Teil wurde ein geselliges Beisammensein angeregt.
Bälle und größere Festlichkeiten fanden meistens im "Hotel Bellevue" statt, ungefähr dort, wo heute die Luisenschule steht.

Der Höhepunkt gesellschaftlicher Unterhaltung dürfte zweifellos das Waldfest am 26. Mai 1900 gewesen sein, für das ein großer Teil des Gehölzes abgesperrt wurde. Man hatte eine riesige Kulisse, die Front einer Ritterburg, errichtet und den Festteilnehmern vorgeschrieben, daß sie nur in entsprechenden Kostümen zugelassen würden, und zwar als Edelleute und Ritter, als Bauern und Knechte sowie eine dritte Gruppe als fahrendes Volk und Zigeuner verkleidet. Bilder von diesem Fest zeigen die Teilnehmer in so kostbaren und stilechten Kostümen, daß sie einem Kostüm und Maskenbildner zur Ehre gereicht hätten.

Zahlreiche Ausflüge in die verschiedensten Orte vervollständigten das reichhaltige gesellschaftliche Programm um die Jahrhundertwende. Die jeweils gedruckten Ankündigungen der Fahrten nach Schwerin, Travemünde, Ratzeburg, Hitzacker sowie einer Dampferfahrt nach Krautsand und Cuxhaven wurden per Rundschreiben losgeschickt.

Die Reisen, die heute in den von Waltraud und Werner Besteck organisierten Fahrradtouren weiterleben, dauerten zumeist von Sonnabendmittag bis Sonntagabend und wurden per Eisenbahn unternommen. Gemessen an den damaligen Verkehrsverhältnissen, als ein Auto noch eine Sensation darstellte, waren solche Wochenendausflüge bereits kleine Reisen. Heute würde man dabei eher von Spazierfahrten in die nähere Umgebung sprechen.

Die vornehme Ostender Gesellschaft hatte auch Sinn für gutes Essen, das sie sich einiges kosten ließ. Das beweist die Einladung zu einem Gänsebratenessen. Ein anderes Mal traf man sich zum Verzehr eines Fasses Austern. Aufschlußreich ist die Abrechnung eines Herrenessens, an dem 18 Herren, darunter vier Gäste, teilnahmen. Der "Antheil der 14 Herren von je M 21,30" war ein beachtlicher Betrag, den man heute ohne weiteres mit 15 multiplizieren darf, um auf eine entsprechende Summe zu kommen, die man für einen solchen Schmaus ausgab.

Die Ostender hatten damals wie heute auch ein Herz für Kinder. Zur Adventszeit des Jahres 1907 organisierte Camillo Dustmann für die Kleinen den Besuch eines Weihnachtsmärchens in einem Hamburger Theater. Um dafür einen Preiserlaß zu erwirken, schrieb der Schriftführer des Vereins an das Theater folgenden überlieferten Brief.

Sehr geehrter Herr Baron!
Als Schriftführer des Vereins "Ostende" wende ich mich an Sie mit der höflichen Bitte, mir gütigst mitteilen zu wollen, ob bei einem ev. gemeinschaftlichen Besuch mit Kindern des " Wintermärchens " eine Preisreduktion stattfinden würde. Es würde sich um ca. 25-30 Karten (1. Rang oder 1. Parquett) handeln. Ich sehe Ihrer geneigten Rückäußerung gern entgegen und empfehle mich mit vorzüglicher Hochachtung. Camillo Dustmann

Exklusivität war gefragt

Die Mitglieder des Vereins Ostende waren auf Exklusivität bedacht. Nur Familien aus dem Villenviertel und der gehobenen sozialen Schicht Bergedorfs fanden in den Verein Einlaß. Es galt bereits als eine besondere Ehre, als Gast von einem Mitglied zu den Veranstaltungen eingeladen zu werden.

Bei einem Aufnahmeersuchen wurde jedem Mitglied die sogenannte "Ballotage" zugesandt, auf der der Name des Bewerbers gedruckt stand. Diesem Verfahren, das jedem Mitglied Einspruch gegen die Aufnahme ermöglichte, mußten sich auch angesehene Persönlichkeiten Bergedorfs unterziehen. Selbst ein bekannter Mann wie Professor Ohly, damals Rektor der Hansaschule, durfte nicht darauf hoffen, in irgendeiner Weise bevorzugt behandelt zu werden. Es wurde offenbar größter Wert darauf gelegt und ängstlich darüber gewacht, daß der Neuhinzukommende jedem Mitglied genehm war.

Wenn der heute sicher nicht mehr zutreffende Ausspruch getan wird: "Alles, was in Bergedorf Rang und Namen hat, ist im Tennis-Club", so besaß er damals seine Berechtigung und Gültigkeit. Dabei sollte nicht vergessen werden, daß der Verein Ostende um die Jahrhundertwende aus einem noch recht kleinen Völkchen bestand und nur langsam wuchs. Die Mitgliederliste des Jahres 1895 zählt 24, die aus der Saison 1903/1904 gerade einmal 35 Mitglieder. 1907 war die Zahl der Mitglieder auf 46 angewachsen.

Die Namen der ersten Mitglieder findet man auch heute noch in den Vereinslisten, so z. B. Hein, Dustmann, Hebbeln, deren Mitgliedschaft sich in ihren Kindern fortgesetzt hat. Da sind zum Beispiel die Dustmanns: Camillo Dustmanns Mitgliedschaft ist schon um die Jahrhundertwende bekannt. Er war in den ersten Jahren Festwart. Sein Sohn Otto gehörte ebenfalls jahrelang dem Verein an und wurde Ehrenmitglied. Dessen Sohn Rolf war aktiver Mannschaftsspieler und von 1970 bis 1975 Jugendwart. Der jüngste Sproß Jan ist weitaus der beste Tennisspieler aus dieser "Dynastie" geworden.

Bei der Familie Hebbeln kann man sagen: Urahne, Großmutter, Mutter und Kind. Die Urahne war Gertrud Hebbeln. Sie legte bereits vor dem Ersten Weltkrieg den Grundstein für die Tennisbegeisterung in der Familie. Ihre Tochter Heidi, jetzige Frau Buhk, wuchs zu einer aktiven Tennisspielerin heran, wobei sie auch das gesellige Clubleben unterstützte. Inzwischen ist ebenfalls ihre Tochter Maren Dieckmann mit ihren Söhnen Stephan und Mathias voll im Club integriert . . .

Analog zur Gegenwart, in der oft der Autotyp über den sozialen Stand des einzelnen Auskunft erteilt, waren damals die Kutschen Zeichen des gesellschaftlichen Ranges. Ein Kutscher mußte her, natürlich mit Frack und weißen Handschuhen. Die Herrschaften stiegen aus und begaben sich gemessenen Schrittes auf den "Centre Court”. Die Damen kamen in wallendem Gewand, hochgeschlossen mit Strohhüten; die Herren mit Krawatten oder Fliegen und mit Kreissägen auf dem Haupt. Die Wahl der Garderobe war ebenso wichtig wie die bange Frage "Spannen wir heute zwei oder vier Pferde vor?"

Wer keine Kutsche besaß, mußte mit der Droschke vorliebnehmen. Doch es gab auch Mitglieder, denen kein fahrbarer Untersatz zur Verfügung stand. Die Verzweiflung über diesen unverzeihlichen Mangel drückt das Austrittgesuch eines Mitglieds aus dem Jahre 1902 aus. Es schreibt an Ratmann Meyer: "Die weite Entfernung meiner Wohnung vom Sitz des Vereins und nicht weniger die schlechten Wege, sondern theils mangelhafte, theils fehlende Beleuchtung an der Kampchaussee machen es mir unmöglich, ohne besondere Schwierigkeiten und Kosten an dem Vereinsleben resp. Festlichkeiten theilzunehmen."

Die kalte Jahreszeit, in der heute in zahlreichen Hallen das Tennisspiel betrieben wird, wurde damals mit Vorträgen, künstlerischen Darbietungen und anderen Veranstaltungen überbrückt.

1907 erstes Clubturnier

Neben der Freude an Feiern und Vergnügungen nahm das Tennisspiel auf den zwei Plätzen im Gehölz, die nach heutigem Reglement nicht in der vorgeschriebenen Nord-Süd-, sondern Ost-West-Richtung angelegt sind, ernstere Formen an, und Geschicklichkeit und Können der Mitglieder im Umgang mit dem Racket und den damals noch weißen Bällen wuchsen. Allerdings bedurfte es von seiten der Aktiven unter den gegebenen Umständen - keine sanitären Einrichtungen, keine Umkleidemöglichkeiten - großer Begeisterung, einen Nachmittag beim Training zu verbringen. Es gab auch eine Spielordnung, die an der "Tennis-Bude" am Rande der Plätze aushing und aus der hervorgeht, daß die Bälle zum Spielen der Verein zur Verfügung stellte. "Die Bälle sind in Netzen ä 8 Stück im Forsthaus abzuholen und sofort nach Beendigung des Spiels unter allen Umständen wieder dorthin zu bringen. Für fehlende Bälle haftet der Abholer." Es heißt dort weiter: "Den im Forsthaus unbekannten Personen, Boten etc. werden die Bälle nur gegen Vorzeigung der Spielkarte ausgehändigt." Personen unter 16 Jahren war nach Paragraph 2 der Satzung das Spielen untersagt. Es sei denn, der Vorstand gestattete eine Ausnahme. In der Zeit der Jahrhundertwende wären nach diesen Regeln keine Monica Seles, Steffi Graf oder ein Boris Becker möglich gewesen.

Beginnend mit dem 1. Juli, wurde 1907 das erste "Vereins-Tennis-Turnier" ausgetragen. Bemerkenswert ist, daß man damals mit Vorgabe spielte und ein "Ausgleicher" die Vorgabe entsprechend der Spielstärke der Teilnehmer festsetzte. Sieger dieser ersten Club-Meisterschaften war bei den Herren ein Herr Köllisch.

Noch im Herbst desselben Jahres fand ab 8. September ein zweites clubinternes Turnier statt, das im HerrenEinzel mit neun Teilnehmern Dr. Cohn als Sieger sah und bei den Damen mit 16 Teilnehmerinnen Frl. Lippert gewann.

In der Ausschreibung ist zu lesen, daß entgegen den damaligen Gepflogenheiten nicht Englisch, sondern Deutsch geschiedsrichtert wurde. Als Turnierball waren Bälle der Firmen Slazenger und Sykes vorgeschrieben. "Als Regeln sind allein die des Deutschen Lawn-Tennis-Bundes giltig." Erfrischungen wurden von den Damen gereicht. Das Nenngeld betrug für das Einzel 0,50 Mark und für das Doppel 1,- Mark.

Wie damals üblich folgten sportlichen Ereignissen gesellschaftliche Veranstaltungen, so daß das zweite Clubturnier mit der Preisverteilung, einem Souper und einem Tanzkränzchen am Montag, den 23. September im Hotel Bellevue endete. Die Mitglieder wurden aufgefordert, "der Festlichkeit durch ihre Anwesenheit die nötige Weihe zu verleihen". Ebenfalls die Freundschaftsturniere erstreckten sich mit einem aufwendigen Rahmenprogramm oft über ein ganzes Wochenende. Der langjährige Präsident des TV Ostende Alfred Brändel erinnert sich, daß auch Gäste aus Hamburg nach Ostende zu einem munteren Spielchen eingeladen wurden. Zu ihnen gehörte der ehemalige Präsident der Klipper und des Hamburger Tennis-Verbandes Dr. Paul Mendel, der mit dem Ostender Clubmeister Dr. Cohn manches Match bestritt.

Die "geschichtslose" Zeit von 1914 bis 1945

Im März 1914, vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, hatten sich die Ostender noch einmal zu einem lustigen "Bayrischen Faschingsfest" getroffen. Im Norden Deutschlands wird Karneval bekanntlich immer ein wenig später gefeiert als zum eigentlichen Termin. Es war wohl das letzte fröhliche Fest für eine lange Zeit.

Anschließend kamen das sportliche und das gesellschaftliche Vereinsleben weitgehend zum Erliegen. Erst in einer Mitteilung aus dem Jahre 1919 fordert die Vereinsführung zur Wiederaufnahme des Tennis-Spiels und der geselligen Zusammenkünfte auf.

Bedauerlicherweise liegen aus den folgenden beiden Jahrzehnten kaum Aufzeichnungen oder Unterlagen vor, aus denen Rückschlüsse auf den genauen Verlauf der Vereinsgeschichte gezogen werden können. Es ist lediglich überliefert, daß in jenen Tagen die Ostender Damen Axelsen, Hein, Hebbeln oder die Herren Lange, Schinkel, Schlosser, Holler, Gehrcke, Dustmann, Schoening, Tauber und Wegelin zu bekannten Tennisspielern in Hamburg zählten.

Im Zweiten Weltkrieg wurde bis 1942/43 sehr eingeschränkt und im wesentlichen nur von Jugendlichen Tennis gespielt. Neben dem Bericht von einem Jugend-Club-Turnier vom September 1942 liegen Zeugnisse von Klassenwettspielen unter der Führung des Nationalsozialistischen Reichsbundes für Leibesübungen (N. S. R. L.) vor. Daran nahmen neben Ostende u. a. Mannschaften von Alster, Blankenese, Klipper, HTHC, ETV, St. Georg, Marienthal, Turnerschaft/Horn Hamm sowie Altona teil. Die NS-Jugend-Organisation (Hitlerjugend und BDM) übte damals starken Einfluß auf den Spielbetrieb aus. Jeder Jugendliche mußte als Beweis seiner Spielberechtigung einen vorschriftsmäßig gestempelten HJ-Sportausweis bei sich tragen. Bei Versäumnissen in der Durchführung der Wettspiele wurde die Vereinsführung in barschem Ton gerügt.

Vorsitzender des Vereins war Dr. Edgar Riecke. Nach dessen Einberufung zur Wehrmacht 1941 wurde Richard Hänel mit der kommissarischen Leitung betraut. Wie aus einem Brief der Vereinsführung vom 9. Februar 1944 an den Sportkreisführer Walther Feltzin hervorgeht, zählte der Verein damals 73 Mitglieder (24 Erwachsene, 49 Jugendliche). 20 waren davon Soldaten, 10 zur Flak und 3 zum Arbeitsdienst eingezogen. Die Pacht für das städtische Gelände betrug 50 Reichsmark pro Jahr. Ein Clubhaus gab es immer noch nicht, wohl aber ein kleines Holzhäuschen mit Umkleide- und Geräteaufbewahrungsraum. Das war die Situation des Vereins Ende des Zweiten Weltkrieges.

Neubeginn nach 1945

Nach dem großen Krieg lagen das Vereinsleben und der Tennissport wie in den meisten anderen deutschen Tennisclubs darnieder. Waren irgendwo Plätze von den Bombardements verschont geblieben, wurden sie von den Besatzungsmächten beschlagnahmt und von ihnen sportlich genutzt.

Im Winter 1945/46 plagten die Bergedorfer Hunger und Kälte, und das alte, hölzerne Clubhäuschen wurde wie so viele Bäume des Bergedorfer Gehölzes verheizt. Man hatte andere Sorgen, als sich mit Tennis zu befassen.

Doch bereits im Juni 1946 erwachten einige Ostender, an der Spitze Irma Hein und ihr Sohn Claus, aus der allgemeinen Lethargie und erweckten den Verein zu neuem Leben. 115 ehemalige Mitglieder und Freunde wurden mit der Absicht angeschrieben, den Club wieder aufbauen zu helfen.

Am Sonntag, dem 14. Juli 1946, konnte auf einem der beiden Plätze im Gehölz der Spielbetrieb aufgenommen werden. Der Jahresbeitrag betrug 30,- Reichsmark für Erwachsene, 20,- RM für Jugendliche unter 18 Jahren, 50,- RM für eine Familie, und auf 20,- RM beliefen sich die Aufnahmegebühren. Damals schwangen die Frauen bei Ostende das Zepter. Auf der Hauptversammlung vom 10. August 1946 wurden Irma Hein zur 1. Vorsitzenden und Elisabeth Jungclaus zur 2. Vorsitzenden gewählt. Irma Hein wurde 1947 von ihrem Sohn Claus in dem Amt abgelöst.

Um den Neubeginn zu legalisieren, verfaßte man eine Petition an den "Hamburger Verband für Leibesübungen" (bald "Hamburger Sport-Bund”) mit der Bitte, den Tennis-Verein wieder in den Verband aufzunehmen. Dazu bedurfte es der Genehmigung der britischen Militärregierung, die diese am 20. Juli 1947 aussprach.

Die Genehmigung der Militärregierung war einem Schreiben des Hamburger Sport-Bundes vom 12. August 1947 beigefügt, das wir in dem Jubiläumsheft auf Seite 20 mit dem englischen Originaltext abgedruckt haben.

Nun waren auch die gesetzlichen Voraussetzungen für den Wiederaufbau geschaffen. Aber es fehlte noch an vielem. Deshalb beantragte man z. B. beim Wirtschaftsamt Hamburg Bezugsscheine für 20 Paar Turnschuhe. Wer Glück hatte, mußte also keine auf dem Schwarzmarkt kaufen.

Mit Hilfe der Bergedorfer Glasfabrik Hein & Dietrichs wurde gemahlene , schwarze Ofenschlacke als Deckmaterial auf die Tennisplätze aufgetragen, da rotes Ziegelmehl nicht zu bekommen war. Die Folge: Die Beine wurden beim Spielen bis zu den Knien schwarz. Auch neue Bälle gab es kaum, so daß die wenigen alten so lange gespielt wurden, bis sie völlig "nackt", das heißt ohne Filzschicht waren. Doch die Hauptsache: Man spielte wieder Tennis.

Mit dem Verein "Spiel und Sport, Tennisabteilung" wurde auf der Anlage eine Spielgemeinschaft eingegangen. 1948 beteiligten sich die Ostender mit einer Herren-Mannschaft erstmals wieder an den Punktspielen, führten ein Club-Turnier durch und begannen mit dem systematischen Training der Jugend. Auf der Jahreshauptversammlung vom November 1948 wurde Hubertus Dietrichs als Nachfolger von Claus Hein, der lange Zeit clubbester Tennisspieler war, zum 1. Vorsitzenden gewählt. Seine vorgeschlagene Mannschaft fand ebenfalls die Zustimmung der Versammlung. Sie setzte sich wie folgt zusammen: Alfred Brändel (2. Vorsitzender), Heinrich Sötebeer (Kassenwart), Joachim Hänel (Jugendwart), Axel Axelsen (Spielwart), Dr. Herbert Kurze (Festwart), Alfred Brändel (Platzwart), Wolfgang Dietrichs (Schriftführer).

Hermann Petzold, der am Pfingstberg 3 in unmittelbarer Nähe zur Anlage wohnte, erhielt eine Anstellung als Platzmeister. Es wurde streng darauf geachtet, daß die Mitglieder die Platzordnung einhielten. Wer z. B. abends als letzter den Platz verließ, war verpflichtet, "die Netze ordentlich abzunehmen und ebenso ordentlich in dem Geräteschuppen aufzuhängen". Der Geräteschuppen war abzuschließen und der Schlüssel Herrn Petzold in die Wohnung zu bringen. Langsam konnte man beim TV Ostende wieder von einem geregelten Clubleben sprechen.

Konsolidierung und Expansion

An die Tradition großer Feste knüpfte das Kostümfest unter dem Titel "Bunte Gewänder aller Herren Länder" an, das am 18. Februar 1949 im Cafe Nagel in Reinbek stattfand und ein Riesenerfolg war. In der Einladung des Vorstands sind u. a. folgende lyrisch anmutende Worte zu finden: "Welkes Laub hat sich auf unsere Tennisplätze herabgesenkt ' und die Bewohner des Waldes sind ihre einzigen Gäste. Nur in der Stille regt es sich emsig..." Die Eintrittskarte kostete 1,00 DM. Zu Gunsten des Wiederaufbaus der Anlage konnten Bausteine in Höhe von 4,00 DM erworben werden.

Auch sportlich ging es nach oben . Die 1. Herren stiegen 1950 aus der 5. in die 4. Hamburger Klasse auf. 1951 nahm erstmals eine Damen-Mannschaft am Hamburger Punktspielbetrieb teil. Im Winter wurde Tischtennis gespielt, und man bemühte sich sogar um Hallenplätze. Es gelang, in der Postsporthalle an der Schlüterstraße in Hamburg 13 freitags von 13.00 bis 14.00 Uhr eine Stunde anzumieten. Kostenpunkt 4,- DM. Eine eigene feste Halle ist bis heute ein Wunschtraum geblieben.

Auch hatte man schon ein Auge auf die Jugend geworfen, unter der damals Bernd Kube in Hamburg bereits für Aufsehen sorgte. Doch die wollte nicht immer so wie der Jugendwart Claus Hein. Dieser schreibt 1953 in seinem Rechenschaftsbericht u. a.: "Es fehlt bei den meisten Jugendlichen der genügende Ernst. Zu den verabredeten Trainerstunden erscheinen einige entweder gar nicht oder zu einer falschen Zeit. Bei Turnieren aß man Äpfel kurz vor dem Matchball. Das Benehmen Erwachsenen gegenüber ließ in manchen Fällen zu wünschen übrig . . ."

Der TV Ostende nahm lebhaft am öffentlichen Leben teil. Als Bergedorf 1950 sein Billtal-Stadion einweihte, marschierten 50 Aktive des TVO in weißer Tenniskleidung im großen Umzug der Sportler mit, vorneweg das umkränzte Vereins-Wappen.

Mit der allgemeinen Besserung der Lebensbedingungen und dem Anwachsen der Mitgliederzahlen (187 im Jahre 1952) wollten die Ostender ihre Anlage ausbauen. Man wünschte sich mehr Tennisplätze und endlich ein geeignetes Clubhaus. Durch die Ablehnung des Antrages vom Juli 1948, in der es hieß, daß "der Wald bereits sehr zusammengeschrumpft ist und im Interesse der Bergedorfer Bevölkerung dafür Sorge getragen werden muß, daß wenigstens der Rest des Stadtwaldes erhalten bleibt", ließ sich der Vorstand aber nicht entmutigen. Eine direkte Erweiterung der Anlage in Verbindung mit den vorhandenen beiden Plätzen kam jedoch nicht in Betracht.

Durch verständnisvolles Entgegenkommen des damaligen Senators für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Friedrich Frank, erhielt der Verein die Erlaubnis, auf der überhaupt nur in Frage kommenden Fläche oberhalb der alten Plätze zwei neue anzulegen. Die Auflage, keine Bäume zu fällen, wurde dabei gewissenhaft erfüllt. Um so mehr mußten allerdings Büsche und armstarkes Gesträuch beseitigt werden.

Zum Saisonbeginn 1950 konnten zwei neue Plätze für den Spielbetrieb freigegeben werden. Die termingerechte Fertigstellung, die aus finanziellen Gründen zu einem erheblichen Teil in Selbsthilfe geschah ("Schippdienste"), war besonders ein Verdienst der damaligen Vorstandsmitglieder Alfred Brändel und Heinrich Sötebeer. Die Mitglieder wurden mit einer Umlage in Höhe von 25,-DM belastet. Jugendliche und passive Mitglieder mußten 15,- DM zahlen.

Vier Plätze und kein Clubhaus und keine Umkleidekabinen! Man muß sich fragen, wie so etwas über Jahre ohne ernstliche Störung des Spielbetriebes möglich war? Mitglieder konnten zwar bereits in Sportkleidung auf die Anlage kommen, was sie auch heute noch tun, während Gäste die nahegelegenen Privathäuser von Mitgliedern in Anspruch nehmen mußten.

Eine lustige Anekdote wird in diesem Zusammenhang von den Ostendern immer wieder gern erzählt: Als während der Internationalen Tennis-Meisterschaften am Rothenbaum sich zwei Gruppen Bekannter begegneten und ein Herr der einen Gruppe einer Dame der anderen vorgestellt wurde, bemerkte diese zur großen Belustigung der Umstehenden: "Oh, ich glaube, wir kennen uns schon, bei Ihnen habe ich mich einmal ausgezogen." Es war eine Dame, die an einem Ostender Turnier teilgenommen hatte.

Das 60jährige Bestehen 1953 und das 70jährige Bestehen des Vereins 1963 wurden jeweils im Cafe Nagel gefeiert, wo die meisten Feste des Clubs stattfanden. Bergedorf verfügte leider nicht über geeignete Lokalitäten, wie Alfred Brändel in der 75jährigen Chronik vermerkt. 1954 ging die "clubhauslose, die schreckliche Zeit" endlich zu Ende. Alfred Brändel, der am 23. Januar 1953 Carl Diehl als 1. Vorsitzenden abgelöst hatte, hielt die Ansprache bei der Grundsteinlegung. Nach wieder erheblichen Eigenleistungen und der Erhebung einer Umlage erfolgte am 30. Oktober 1954 die Einweihung, der sich ein Festabend bei "Schröder" in Schwarzenbek anschloß. Die Kosten für den Clubhausbau beliefen sich auf knapp 40 000, DM.

Im März 1957 wurde vom Platzmeister und Ökonom Hermann Petzold und seiner Familie die in einem zweiten Bauabschnitt als direkter Anbau an das Clubhaus fertiggestellte Wohnung bezogen.

In dieser Zeit knüpften die Ostender auch Kontakte zu anderen Clubs und verabredeten sich zu Freundschaftskämpfen. Bemerkenswert sind zwei Begegnungen mit den Tennisfreunden aus Stralsund, die 1956 zuerst Gäste beim TVO waren. Die Spiele gestalteten sich schwierig, denn es mußten Aus- und Einreisegenehmigungen beantragt werden. Schließlich schrieb die Betriebssport-Gemeinschaft (BSG) "Einheit" Stralsund, Sektion Tennis, daß es gelungen sei, das Rückspiel vom 12. bis 15. Juli 1957 durchführen zu dürfen. Die Teilnehmerzahl der Bergedorfer Gäste sei auf 30 limitiert, die "Pkw-Festlegung" auf sechs. Man müsse natürlich Fabrikat und Fahrzeugnummern angeben. Der "Startgenehmigungs- Delegationsleiter" sei Herr Alfred Brändel. Die Aufenthaltsgenehmigung vom Rat der Stadt Stralsund galt nur vom 12. bis 15. Juli.

Den Komplikationen von behördlicher Seite standen die Worte der Stralsunder Tennisfreunde gegenüber, die schrieben: "Glauben Sie uns, wir freuen uns schon alle von Herzen, und wenn es auch nur wenige Stunden sind, die uns verbinden..." Aus politischen Gründen war es leider nicht möglich, die Verbindung aufrechtzuerhalten. Ebenfalls mußte wegen Widerständen des ostdeutschen Regimes ein Treffen mit Tennisfreunden aus Wismar gestrichen werden.

Im Laufe der Jahre wurden etliche Beziehungen zu anderen Clubs aufgebaut und gepflegt, so zu Rot-Weiß Bremen, ATK Kopenhagen, Laboe, Plön, Düsternbrook Kiel und Rot-Gelb Hamburg von den Erwachsenen und zu Malmö und Peine von der Jugend.

Mit der Ostender Tennis-Jugend ging's unter der Leitung des damaligen Jugendwartes Werner Besteck mit der Bahn auch mal für sechs Tage nach Paris, und zwar zum Club Alsacienne et Lorraine de Paris. Alle Begegnungen führten zu zahlreichen Freundschaften. Es war übrigens damals oft üblich, die Gäste von außerhalb zum Mittagessen nach Hause in die Bergedorfer Familien einzuladen. Die starke Nachfrage nach Tennisspielmöglichkeiten in den 50er und 60er Jahren ließ die Mitgliederzahl des TV Ostende ständig steigen. Die Kapazität der Plätze war schnell erschöpft. Im Bergedorfer Raum existierten damals mit dem TV Ostende, der TSG Bergedorf und dem TSV Reinbek nur drei Vereine, die Tennis anboten. So mußten lange Wartelisten geführt werden, die wiederholt zu dem nicht berechtigten Vorwurf und Vorurteil führten, der Verein würde sich abschotten. In den 70er Jahren gab es vorübergehend sogar einen Aufnahmestopp.

So entstand bald der Plan, die Anlage weiter zu vergrößern. Dem unermüdlichen Einsatz des damaligen 1. Vorsitzenden und heutigen Ehrenpräsidenten Alfred Brändel ist es wesentlich zu verdanken, daß im Jahr 1961 der Bau eines fünften Platzes Entlastung brachte. Die Bauleitung übernahm diesmal Willi Buhk, noch heute mit 85 Jahren aktiver Tennisspieler. Um erneut die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, leisteten die Mitglieder auch bei der Erstellung dieses Platzes "Schippdienste".

1967 konnte schließlich der sechste Platz eingeweiht werden. Der Bau dieses Platzes stieß bei einem Teil der Bergedorfer Bevölkerung auf erheblichen Widerstand. In zahllosen Diskussionen, Leserbriefen und Artikeln in der Ortspresse ("Wir sind nicht gewillt, dieses Vernichtungswerk an unserem Wald länger hinzunehmen"), die zum Teil jede Sachlichkeit vermissen ließen, wurde gegen das Vorhaben Sturm gelaufen. Sogar der Chef der Behörde für Landwirtschaft und Forsten, Senator Eckström, wurde bemüht und überzeugte sich zweimal davon, daß hier nicht, wie ihm von dritter Seite mitgeteilt worden war, zahllose Bäume gefällt werden müßten und der Bestand des Bergedorfer Gehölzes gefährdet wäre.

Mit sechs Plätzen sind außer einer Erweiterung des Clubhauses 1968 (Jugendraum und überdachte Terrasse) die Größe und das Aussehen der Anlage bis heute ziemlich unverändert geblieben. 1968 zum 75jährigen Jubiläum, das im Atlantic Hotel festlich begangen wurde, hatte der Club nicht nur seine endgültige äußere Gestalt erreicht, sondern war auch sportlich erfolgreich: Die Herren wurden zum vierten Male Hamburger Mannschaftsmeister, und die Tennisfußballer gewannen die Punktrunde und den Pokal.

Die "Golden Sixties"

Wurde bereits in den 50er Jahren beim TV Ostende solide und ordentlich Tennis gespielt, so gelang den 1. Herren mit den damals überragenden Bernd Kube und Claus Bode, die nach einem kurzen Gastspiel beim TTK Tontaubenklub Sachsenwald zurückkehrten, 1961 der langersehnte Aufstieg in die 1. Hamburger Klasse. Zum Aufsteiger-Team gehörten neben den erwähnten Spitzenspielern Hubert Meier, Rainer Klemm, Joachim Martschin, Peter Meier und Ulrich Braun.

Bernd Kube und Claus Bode, die Anfang der 50er Jahre als kleine Bergedorfer Buttjes von ihren Vätern im Club angemeldet wurden, waren über viele Jahre das sportliche Aushängeschild des Vereins und sorgten über Hamburgs Grenzen hinaus für Furore. Neben zahlreichen Siegen als Junior gewann Bernd Kube 1960 zum erstenmal den Hamburger Meistertitel im Herren-Einzel, dem inklusive Halle neun weitere folgten. Als er von 1965 bis 1967 für einen Frankfurter Verein spielte, wurde er Hessenmeister. 1968 kehrte der "verlorene Sohn" zum Doktorberg zurück. Am Rothenbaum, wo er 1968, inzwischen 28 Jahre alt, u.a. durch einen Sieg über Jürgen Faßbender die Trostrunde (Alsterpokal) für sich entschied, lieferte er sich mit Wilhelm Bungert, dem dreimaligen Wimbledonsieger John Newcombe und anderen Spielern von Weltgeltung heiße Gefechte, die das Hamburger Publikum in seinen Bann zogen. Zu seinen Glanzzeiten stand Bernd Kube auf der deutschen Rangliste weit oben. Heute spielt er als Senior beim UHC.

Das zweite Ostender As Claus Bode, 1957 und 1958 Hamburger Juniorenmeister, dessen jüngerer Bruder HansGeorg ebenfalls hervorragend Tennis spielte, gewann 1965 und 1966 den Hamburger Titel im Herren-Einzel. Er war jahrelang Mannschaftsführer der 1. Herren und Sportwart des Vereins. Dank seiner Initiative konnten leistungsstarke Spieler an den Doktorberg geholt werden. Heute hat sich Claus Bode ganz dem Golf verschrieben.

Mit der Zugehörigkeit zur 1. Klasse war es endlich möglich geworden, um die Hamburger Mannschaftsmeisterschaft mitzuspielen. Nach zwei Fehlversuchen 1962 und 1963 (jeweils 4:5 gegen Klipper) wurde 1964 mit 6:3 gegen den "Erzrivalen" Klipper am Rothenbaum zum erstenmal der Titel gewonnen. Dabei unterstützten zahlreiche Ostender Schlachtenbummler ihre Stars - zitternd, Däumchen haltend und applaudierend. Zur ersten Meister-Mannschaft gehörten: Bernd Kube, Claus Bode, Jochen Emmerich, Axel Vogel, Ulrich Braun, Hans-Jürgen Sunkemat und Hans-Georg Bode als Doppelspieler. Später stießen noch Manfred Bohnen und Niels Jöhnk vom Rissener SV (beide 1966), Bernhard Langner vom SC Sperber und Hanfried Bulla vom ETV Eimsbüttel (beide 1968) dazu. In der ruhmreichen Mannschaft spielten außerdem Helge Kiehn und Ulrich Buhk.

Im November 1964 folgte ein Empfang im Spiegelsaal des Bergedorfer Rathauses, auf dem durch den Bezirksamtsleiter Wilhelm Lindemann fünf weitere Ostender Mannschaften geehrt wurden, die den Gruppensieg bei den Hamburger Medenspielen errungen hatten. Darunter auch die 1. Damen, die es den Herren (fast) gleichtaten, konnten sie doch in die oberste Hamburger Klasse aufsteigen, wo sie in den folgenden Jahren bei der Hamburger Endrunde mehrmals den 3. Platz belegten.

Die sportlichen Erfolge wurden ebenfalls im Clubhaus groß gefeiert, und Jubel und Gesang tönten durch den Bergedorfer Forst. Mit Erstaunen registrierte auch der Hamburger Tennis-Verband, daß ein relativ so kleiner Club (damals ca. 250 Mitglieder) mit seinen Mannschaften zu solchen Leistungen fähig war.

Mit Stolz erfüllte die Ostender, daß sich die Meister-Mannschaften überwiegend aus Eigengewächsen rekrutierten und sie damit den Beweis für die richtige Förderung des Nachwuchses lieferten. Diese bestand u.a. aus der Übernahme von Patenschaften für begabte Jugendliche durch die ersten Mannschaften. Die Tennispatenkinder wurden in der Saison mehrfach von den Leistungsspielern kostenfrei trainiert.

Die Endspiele am Rothenbaum gegen Klipper gehörten damals zu den tennissportlichen Höhepunkten in der Hansestadt, die auch von den Fans aus anderen Vereinen stark besucht wurden. Dabei zählten die Spiele zwischen Bernd Kube gegen Günter Reimann und Uwe Gottschalk zu den Klassikern. Nach 1964 konnten die Ostender, jeweils durch Siege über Klipper, noch viermal, von 1966 bis 1969 in ununterbrochener Folge, die höchste Hamburger Mannschaftstrophäe nach Bergedorf holen.

1970 behielten Klippers Herren, die sich ein Jahr später für die neugegründete Bundesliga qualifizierten, wieder die Oberhand und gaben die Vormachtstellung im Hamburger Tennis dann über einen langen Zeitraum nicht mehr ab.

Der Kampf um die eigene Halle

Bevor Alfred Brändel 1971 nach fast 20jähriger Führungsarbeit das Amt des 1. Vorsitzenden an Claus Jungclaus abgab und zum Ehrenvorsitzenden gewählt wurde, hatte er noch einen schweren, vergeblichen Kampf um eine eigene Tennishalle hinter sich gebracht. Diese durfte und sollte zwar nicht auf der eigenen Anlage, sondern am Ladenbeker Furtweg in Lohbrügge gebaut werden. Da die Mitglieder dadurch eine Spaltung des Clubs in zwei örtliche Lager befürchteten, sich ferner nicht zu einer Umlage entschließen konnten und dem Club die finanziellen Möglichkeiten fehlten, hatte sich eine Bergedorfer Firma angeboten, eine Festhalle zu bauen. Die Ostender sollten darin zu Sonderkonditionen Plätze mieten können.

Doch man wurde sich nicht handelseinig, und auch die Gemeinde verweigerte ihren Segen. Was schließlich blieb, war die Traglufthalle im Hulbepark, die erstmals in der Hallen-Saison 1971/72 auf der Anlage erstellt wurde und heute im Winter eine ständige Einrichtung ist.

Sportliche Durststrecke in den 70er Jahren, starke Zeit zu Beginn und Mitte der 80er Jahre

Sportliche Leistungen lassen sich nicht zementieren. Diese Erfahrung mußten auch die 1. Herren des TV Ostende machen, die in den 70er Jahren ihre großartigen Erfolge nicht wiederholen konnten. Mit einer nicht erwarteten Niederlage gegen Sperber wurde der Niedergang eingeleitet.

Teils widmeten sich die Cracks jetzt intensiver beruflichen Aufgaben, teils waren sie in andere Clubs abgewandert. Der 1. Vorsitzende Claus Jungclaus sah die Situation wie folgt: "Durch die Einführung der Bundesliga setzt sich auch im Tennissport die Entwicklung ähnlich dem Fußball durch, indem Spitzenspieler lukrativere Angebote dieser Vereine annehmen. Für uns bleibt, den eigenen Nachwuchs zu fördern."

So wurde dann an der Basis fleißig gearbeitet, und der Nachwuchs ließ aufhorchen: 1970 und 1971 wurden Ostendes Junioren Hamburger Mannschaftsmeister. Trainer war damals Hubert Meier.

Es folgten Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre die zahlreichen Hamburger Meistertitel, die in den verschiedensten Altersklassen der Juniorinnen Barbara Nocke und Dagmar Nicolay gewannen. Bei den Junioren spielten in Hamburg Jan Dustmann und Thomas Nicolay vorne mit. Alle gehörten später zu Stammspielern der ersten Mannschaften. Neben den Tenniskickern, über die andernorts ausführlich berichtet wird, hielten die Damen beim TVO die Fahnen hoch. Helga Spitzkowski wurde von 1970 bis 1972 dreimal in Folge Hamburger Meisterin.

Die 1. Damen spielten kontinuierlich in Hamburgs oberster Klasse und qualifizierten sich 1975 sogar für die ein Jahr zuvor gegründete Regionalliga Nord, in der von nun an die besten Hamburger Vereins-Teams miteinander stritten. In ihr verblieben sie bis 1979. Die 1. Herren hielten sich in der Oberliga, damals die Klasse unter der Regionalliga, in der Mannschaften aus Schleswig-Holstein, Bremen und Hamburg spielten.

Im Senioren-Bereich wurde Axel Vogel 1976 Hamburger Meister - ein Erfolg, den er 1989 in der Halle als AK-II-Senior wiederholen konnte. 1979  und danach noch mehrmals - gewann Renate Horn den Verbands-Titel der Seniorinnen und war über viele Jahre in dieser Altersklasse in Hamburg "Spitze".

Etliche Spieler des TVO erhielten Berufungen in die Auswahl-Mannschaften des Verbandes, in denen sie Hamburgs Farben würdig vertraten.

Auch das gab es beim TV Ostende: 1978 bestritten die deutschen Spitzenspielerinnen Iris Riedel und Katrin Pohmann sowie Hamburgs Meisterinnen Helga Lütten und Helga Spitzkowski am Doktorberg einen Schaukampf. Es wurde gedoppelt und anschließend mit Claus Bode und Werner Besteck ein kurzweiliges Mixed gespielt. Abends bei der Grillparty war Billy Mo der Stargast und blies mächtig in die Trompete.

Feiern und Geselligkeit hatten die Ostender in den 70er Jahren nicht verlernt. Davon zeugen Ausflüge in die Heide und den Harz, ein Fest mit Can-Can-Einlage eines Herrenballetts, Silvestertanz und Feuerwerksvergnügen am Doktorberg. Kegel sowie Skat und Bridgeabende gehörten und gehören im Club ebenso zum festen Repertoire wie Freundschaftsspiele mit anderen Vereinen.

1977 zog sich Claus Jungclaus nach 25jähriger Vorstandsarbeit zurück. Sein Nachfolger als 1. Vorsitzender wurde Dr. Heinz Bünger. Ein besonderes Ereignis seiner Amtszeit war 1980 die Ehrung der Jubilare, die 25 Jahre und länger dem Verein die Treue hielten. Im festlich geschmückten Clubhaus fanden die Feier und die Verleihung von 42 Silbernen und einer Goldenen Ehrennadel statt. Die Goldene Nadel erhielt Willi Buhk, der seit mehr als einem halben Jahrhundert dem Verein angehört und sich um ihn verdient gemacht hat.

Ein zweites sportliches Hoch erlebte der TV Ostende, besonders mit seinen Mannschaften, Anfang bis Mitte der 80er Jahre, als man mit fünf Teams in der Regionalliga Nord vertreten war. Das schaffte in Hamburg außer den Bergedorfern nur noch Klipper. Bei den Damen zählten u.a. Kirsten Witthöft, Karen Barbiero, Christiane Deerberg, Dagmar Nicolay, Barbara Nocke, Renate Horn und Bärbel Leiss zu den Leistungsträgern. In der 1. Herren spielten Ali Yenilmez und Donald Vogel, beide auch heute noch dabei, ferner Jörg Mierendorff, Thomas Nicolay, Cord Frank und Jan Dustmann.

Im Jung-Senioren- und Senioren-Team trafen sich Spieler wieder, aus denen sich vormals die 1. Herren zusammensetzte. Die Brüder Bode, Dr. Uwe Klemm, Karl-Uwe Pause, der 1982, 1983 und 1987 in der Halle Hamburger Jung-Seniorenmeister wurde, und Peter Jess gehörten dazu. 1982 wurde das Jung-Senioren-Team von Ostende Meister der Oberliga Nord.

Der Stamm der Senioren wurde von Werner Besteck, Hans-Jürgen Fürstenau, Dr. Kürff, Hubert Meier und Axel Vogel gebildet.

Die Seniorinnen-Mannschaft mit u. a. Renate Horn, Renate Bonn, Ellen Kaske-Iwen, Helga Klüber, Sigrid Schwickart und Eliza Tode und vordem U. Erdmann, B. Eschenlauer, R. Jablonka, I. Loeser und R. Schaaf spielten ab der Gründung der Regionalliga für Seniorinnen 1979 im norddeutschen Oberhaus und hielten sich bis 1992 in der Nordliga. Der Ostender Talentschmiede entstammen auch Alexander v. Hugo, Björn Mayer und Christian Steffen, die 1985, 1986 und 1987 Hamburger Juniorenmeister in ihrer Altersklasse wurden, inzwischen aber abgewandert sind. Die Eltern sind geblieben. 1982 und 1983 stellte der TV Ostende mit den Jüngsten Knaben den Hamburger Meister.

Ein Glanzlicht setzten die Hamburger Freiluft-Meisterschaften 1984, als sich der TV Ostende als der erfolgreichste aller Hamburger Vereine erwies und 5 1/2 Titel nach Bergedorf holte. Es gewann bei den Damen in einem rein Ostender Finale Kirsten Witthöft gegen Karen Barbiero und bei den Seniorinnen Renate Horn. Im Doppel belegten Karen Barbiero und Dagmar Nicolay sowie Renate Horn und Helga Klüber den 1. Platz. Im Mixed hatten Karen Barbiero und Ali Yenilmez die Nase vorn. Das Jung-Senioren-Doppel gewann Karl-Uwe Panse mit dem damals für Horn Hamm spielenden Dieter Sandbulte.

Leistungssportlich ist es in der letzten Zeit beim TV Ostende ruhiger geworden. Mit dem Gedanken, über Sponsoren das Niveau wieder anzuheben, will man sich aus grundsätzlichen Erwägungen nicht anfreunden. In diesem Punkt bleiben die Ostender konservativ.

Der Bericht über die Geschichte des TV Ostende neigt sich dem Ende zu. Dabei darf nicht verwundern, daß im ersten Teil mehr die gesellschaftlichen Veranstaltungen im Vordergrund standen, während im zweiten Teil der Sport dominierte. Dies entspricht genau der Entwicklung, die der Club genommen hat.

Der Verein wird sich in Zukunft in seiner jetzigen räumlichen Ausdehnung und in der Anzahl seiner Plätze, bedingt durch die Lage in einem Landschaftsschutzgebiet, kaum verändern. Diese Einschränkung kann sich nachteilig auswirken, aber die Vereinsatmosphäre auch positiv beeinflussen. Wegen der dadurch begrenzten Mitgliederzahl wird es beim TVO die Anonymität, wie sie häufig in Groß-Vereinen vorherrscht, nicht geben. Wenn der Verein die Zeit von 1893 bis 1993 gut und erfolgreich überstanden hat, so ist das der Treue vieler Mitglieder zu danken. Besonders aber ist es das Verdienst aller Vorstandsmitglieder, die den Club stets mit großem ehrenamtlichen Engagement und aufopferungsvoll geführt und ihm gedient haben.

Horst Kerkhoff